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Was spricht gegen Handwerk? Als gelernter Heizungsbauer will ich das beantworten.
-Arbeitszeiten ändern sich gerne mal spontan sodass man kaum Termine nach Feierabend planen kann -die Bezahlung war zu meiner Zeit (2006-2014) unter aller Sau (300-360€ als Azubi, 9€/h als Geselle) -man ist oft dem Wetter ausgesetzt. Ob Dacharbeiten bei 30°C bis sich die Haut vom Rücken schält oder bei -10°C im Rohbau bis einem die Zehen fast abfrieren -Du wirst von Idiotischen Kollegen behandelt wie Dreck. Ich wurde dumm genannt, verarscht, es wurden Vorwürfe gemacht wenn man krank zuhause blieb außer es war eine Sichtbare, schwere Verletzung. -"Psychische Erkrankungen existieren nicht. Das sind Ausreden von Leuten die keinen Bock auf arbeit haben." Leider wusste ich es in dem Alter nicht besser und habe deswegen Jahrelang mit Depressionen gearbeitet. Gab ja auch Tage an denen ich nicht vom Dach springen wollte. Das schaff ich alleine. Wenn jemand hört ich geh mit sowas zum Arzt bin ich doch auch noch der Geisteskranke. Geendet oder eher pausiert haben die erst als mir gekündigt wurde und ich Monatelang arbeitslos war. Tja, am Land und ohne Führerschein blieb nicht viel anderes übrig als wieder dort zu arbeiten als sie wieder jemanden brauchten. Jetzt mit "ruhender" Depression, dafür mit einem Kollegen der seit einem Herzinfarkt noch cholerischer ist als früher. Also hatte ich jetzt immer wieder Herzrasen und das Gefühl zu ersticken wenn er mich wieder mal grundlos anschrie. Hatte lang gedauert bis ich wusste dass das Panikattacken sind. -Narzistische Kollegen. Wir sind die tollsten und klügsten, alle anderen sind dumm und faul. Besonders diese "Blödstudierten" Architekten. Die können ja nicht mal einen Nagel in die Wand schlagen. Als ob dass das Benchmark für Intelligenz wäre. Für meine Kollegen war es das wohl. Und von den Sprüchen über Ausländer und Juden will ich garnicht anfangen.
Es gibt bestimmt noch mehr Dinge die mir gerade nicht einfallen, aber ich denke mal es spricht genügend gegen Handwerk. Alos sorgt dafür das eure Kinder IRGENDWAS anderes lernen das nicht Bankkonto und psyche fickt.
Puh, wenn ich das so lese, dann hatte ich wohl echt Glück gehabt mit meiner Handwerksausbildung. Allerdings ist diese auch schon über 20 Jahre her, und es war auch ein anderes Gewerk, nämlich Bau-und Möbeltischler. Rückblickend betrachtet, musste ich auch nie so dumme Sachen mitmachen wie z.B. Gewichte für die Wasserwaage holen. Solche Stories kenne ich eigentlich nur vom Hörensagen. Auch, dass mittlerweile ein solch feindlicher Unterton (alle Lehrlinge sind dumm, kEiNeR wIlL mEhR aRbEiTeN, die ganzen Ausländer,…) herrscht, habe ich damals nicht so erlebt.
Klar gab es auch damals schon dumme Gesellen („Wenn der Alte auf die Baustelle kommt, dann erzähl’ ich dem aber was!“ - Chef kommt auf die Baustelle: „Das muss fertig, ihr arbeitet am Samstag auch!“ - Geselle: „Ja Chef, gerne.“). Im Großen und Ganzen habe ich aber - zumindest in Bezug auf das Arbeitsklime - kaum nagative Erfahrungen gemacht.
Die Bezahlung hingegen war unterirdisch. Nicht nur, dass in Bezug auf die Bezahlung LeHrJaHrE kEiNe HeRrEnJaHrE waren, das Geld wurde auch zum Teil einen Monat verspätet ausgezahlt. Auch, dass mein Betrieb der einzige war, deren Azubis das Gesellsnstück selbst bezahlen mussten, hat einen eher darin bestärkt, nach der Ausbildung was anderes zu machen. Wahrscheinlich ist dies nicht einmal zulässig gewesen, aber wenn der Chef auch der Vorsitzende der Kammer ist, dann machste da nix.
Der Chef hatte ein Boot, ein Wohnmobil und zwei Autos.
Nimmt man all diese Sache zusammen, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, dass die Arbeit im Handwerk alles andere als attratikv ist - und danach handeln die Leute auch. Es gibt kaum noch Auszubildende, da diese schon frühzeitig erkennen, was da abgeht. Scheiß Bezahlung, scheiß Arbeitszeiten, scheiß Ausrüstung und Werkzeuge, scheiß Arbeitsklima. Kaum gesellschaftliche Anerkennung.
Anstatt der Situation entgegenzuwirken durch bessere Bezahlung und auch durch bessere Arbeitsbedingungen, setzt man mittlerweile auf billige Arbeitskräfte aus Osteuropa, die nun die ganze Drecksarbeit machen: Kabelschlitze stemmen, Trockenbauwände, Putz und Estrich. Das schürt auch noch einmal den Haß. Viele Handwerker scheinen nicht zu erkennen, dass sich deren Wut nicht gegen den Billiglohnarbeiter richfen sollte, sondern gegen deren Chefs. Dies trägt dazu bei, dass das Arbeitsklima im Handwerk immer schlechter wird.
Mittlerweile habe ich mich blöd studiert (Architekt) und sitze für ein verglichbares Meistergehalt im klimatisierten Büro und ohne Schwielen an den Fingern.
Auf der anderen Seite des Bauplans habe ich aber noch eine interressante Feststellung gemacht, und die betrifft das Handwerk indirekt: Es herrscht im gesamten Bausektor ein immenser Zeitdruck, den letztendlich das Handwerk auffangen muss. Meine These ist, dass duch die ganzen Haus-Umbau-Shows, die damals auf RTL II liefen, eine gewisse Erwartungshaltung geschürt worden ist (z.B. ein ganzes Bauernhaus in 8 Tagen umbauen). Diese Erwartung haben nun auch die Bauherren. Oftmals sind dies Investoren, das heisst, das auch Geld hier eine große Rolle spielt.
Viele Architekten haben deswegen oftmals nicht die Eier in der Hose, ihren Bauherren zu sagen, dass Dinge, wenn sie einmal zur Fertigung freigegeben sind, nicht mehr geändert werden können, wenn der Fertigstellungsternin noch eingehalten werden soll.
Ich vergleiche das immer damit, dass, wenn man sich ein neues Auto bestellt: Man sucht sich die Wagenfarbe aus, die Sitze, die Ausstattung. Wenn die Bestellung aufgegeben ist, dann kann man nichts mehr ändern. In diesem Beispiel hat auch niemand ein Problem damit, dass die Sachen, die man vorher definiert hat, nicht mehr zu ändern sind. Beim Bauen aber denken viele, dass man den Grundiriss des Kellers noch ändern kann, auch wenn der Betonmischer schon am Horizont zu sehen ist.
Viele Architekten versuchen dennoch, die unmöglichen Wünsche des Bauherrn umzusetzen, und das geht letzten Endes wiederum zu Lasten des Handwerkers, der es unter den „Normalbedingungen“ schon scheiße genug hat, in Form von Überstunden, damit die Zeit wieder aufgeholt werden kann.
Kurzum: Handwerk ist unattraktiv, da der Zeitdruck, den der Bauherr aufbaut (Fixer Fertigstellungstermin, da sonst Ausfallkosten geltend gemacht werden) die gesamte Kette herunter weitergeleitet wird - bis zum Hilfsarbeiter. Zudem herrscht eine Arbeitsathmosphäre, die am Stockholmsyndrom grenzt (—> kEiNeR wIlL mEhR aRbEiTeN; LeHrJaHrE sInD kEiNe HeRrEnJaHrE).
Ich feiere es, dass sich die Arbeitswelt inzwischen zugunsten des Arbeitnehmers wandelt. Hier muss sich das Handwerk ebenfalls emanzipieren.
...aber WARUM? Warum sind die Verhältnisse im Handwerk so? Kann eine Firma, die das besser macht, nicht überleben? Führt der Weg zum Markterfolg nur über Ausbeutung?
Ein Fakor ist die Art und Weise, wie Aufträge im Handwerk zustande kommen. Diese richtet sich i.d.R. nach der VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen).
Das funktioniert (stark vereinfacht) so: Der Handwerker erhält neben Bauplänen ein vom Architekten erstelltes Leistungsverzeichnis (LV). Dies ist sozusagen eine Auflistung der Dinge, die der Handwerker ausführen soll. Hier sind die Mengen (z.B. wie viele Quadratmeter Wand, wie viele Fenster, wie viele laufende Meter Abflussrohr,…) schon vom Architekten kalkuliert worden.
Der Handwerker setzt nun seine Preise bei den einzelnen Positionen ein. Da i.d.R. auch die Konkurrenz des jeweiligen Handwerkers gefragt wird, entsteht somit eine Vergleichbarkeit zwischen den Angeboten, und oftmals erhält der günstigste Anbieter auch den Zuschlag.
Aus der Perspektive des Handwerkers macht er also Pauschal-Preise, die sich auf einen bestimmten Leistungsumfang beziehen. Wenn man aber etwas als Pauschale angibt, dann ist es aus ökonomischer Sicht am günstigsten, wenn der Arbeitsaufwand und die damit verbrachte Arbeitszeit so gering wie möglich gehalten wird. Also: möglichst wenig Aufwand/Zeit fürs gleiche Geld.
Wenn nun aber Arbeiten nicht im Sinne des Bauherrn oder der Planung ausgeführt werden, sodass diese vom Handwerker im Nachgang behoben werden müssen, dann investiert der Handwerker mehr Zeit, als ursprünglich einkalkuliert war. Bezogen auf den angebotenen Pauschalpreis kann das bedeuten, dass der Handwerker nun keinen Gewinn, oder gar Verlust macht.
Ursachen können sein: unzureichende Planung, unvorhergesehene Schwierigkeiten (besonders bei der Sanierung von Altbauten) Bauherr entscheidet sich spontan um, Falsches Produkt eingebaut, LV nicht richtig gelesen, Leistungsumfang falsch interpretiert, aus falschem Stolz nicht nachgefragt, keine fähigen Leute,…
Soetwas führt dann dazu, dass mehr Arbeitsaufwand und mehr Arbeitszeit investiert werden müssen. Gleichzeitig aber soll bzw. muss der Fertigstellungstermin eingehalten werden. Dieser Zeitdruck wird dann an die Mitarbeiter vor Ort weitergegeben, die dann länger machen müssen, oder gar Samstags arbeiten müssen.
Hinzu kommt, dass die Handwerksbetriebe tendenziell mehr Aufträge annehmen als sie eigentlich abarbeiten können (Überbuchung). Das heißt, der Druck entsteht nicht nur bei der einen Baustelle, sondern bei allen.
Ergänzend möchte ich noch anmerken, dass völlig unrealistische Bauzeitenpläne (also eine Übersicht über die einzelnen "Meilensteine", also bis wann eine bestimmte Arbeit fertiggestellt sein soll, in einem zeitlichen Kontext), oder auch der Umbau von Gebäuden im laufenden Betrieb (in dem Ort, in dem ich arbeite, wurde der Supermarkt umgebaut - während der Verkauf weiterging) ebenfalls dazu beitragen, dass ein enormer zeitlicher Druck auf das Handwerk ausgeübt wird.
Dies ist eine Folge des Kapitalismus. Alles muss so schnell wie möglich fertiggestellt werden, Gewinnausfälle (des Bauherrn) sind nicht geduldet. Ich habe schon Mehrfamilienhäuser geplant, wo die Wohnungen, die bislang nur als Planung existieren, bereits vermietet sind! Sowas ist komplett abgefuckt.